Outside the atmosphere is cheerful. It's sunny and people seem relaxed – for the first time ever since I have arrived in this city. Today the casual stroller encounters a rich and varied display of ideologies throughout public space. It all begins with this old man who asks me in English whether I speak German. I nod and he explains that both English and German comprise of very similar vocabularies since they were both derivatives of Latin. That's not exactly what I have learnt and I try in vain to contest his thesis. Instead, he forces a flyer into my hand which aims to convince people to fight for the purity of their languages. Since I have always had a weak spot for deranged maniacs I initially have a certain empathy with the man. But as we begin to converse in English this feeling instantly gives way to irritation. For suddenly he interrupts our developing conversation with the totally absurd exclamation: "If you had said that in German I'd have understood it!"
02.05.2009
Draußen ist Volksfeststimmung. Es ist sonnig und die Menschen erscheinen mir heute ein wenig gelassener als sonst. Neben den verschiedensten Waren in den Boutiken und Kaufhäusern bietet die Fußgängerzone heute auch ein großes Sortiment an Meinungen und Ideologien an. Es beginnt mit dem alten Mann, der mich auf Englisch fragt, ob ich deutsch spreche. Ich bejahe es und er erklärt mir, dass manche Worte auf Englisch und Deutsch ganz ähnlich klingen und belegt seine durchaus unterstützbare These mit dem deutschen Wort „Pleite“ und einem der englischen Sprache nachgeahmten Fantasieausdruck, der sich in der Tat ähnlich anhört. Beide Sprachen seien im Grunde aus dem Lateinischen abgeleitet und daher könne man sagen, sei Latein unsere gemeinsame Sprache. Ich versuche zu widersprechen, ziehe sogar meinen Beruf und meine Zweisprachigkeit heran, um meinen Aussagen Autorität zu verleihen, kann mir aber kein Gehör verschaffen. Stattdessen drückt er mir eine Broschüre für die Reinhaltung der deutschen Sprache und gegen zu viele Anglizismen in die Hand (ganz klein gedruckt wird auch die Reinheit von anderen Sprachen gefordert) und wechselt unaufgefordert in ein Schweine-Englisch, das sicherlich mit seinen kreativen Wortschöpfungen so seinen eigenen Charme entwickelt, aber jeden Puristen erschaudern lassen würde. Wir verlassen auch sofort jede weitere linguistische Erörterung und ich bekomme die Geschichte jener Kugel zu hören, die damals im Krieg bei Minsk abgefeuert wurde und die das zwei Cent große und ein Zentimeter tiefe Loch auf seiner Stirn hinterlassen hat. Er ist mir nicht unsympathisch, gerade weil er mit seiner Mission so hemmungslos inkonsequent ist. Denn er liebt es (wie fast alle in dieser Stadt) mittels eines Kauderwelschs immer wieder unter Beweis zu stellen, dass er auch einige Brocken Englisch beherrscht. Als er dann ganz ins Englische wechselt und ich ihm darin folge, entgegnet er mir vollkommen überraschend: „Wenn sie das jetzt auf Deutsch gesagt hätten, hätte ich es verstanden.“ Und meine anfängliche Sympathie für ihn und seinen avantgardistischen Ansatz der Ideologieverbreitung schwindet abrupt, als der Diskurs über die Sprache plötzlich in dumpfen Nationalismus und einen nicht ganz vollständig unterdrückten Rassismus übergeht. Ich lasse ihn stehen und lasse mich weiter durch die Menge treiben. Die nächste Station ist ein buddhistisches Fest mit Buddha-Waschzeremonie. Die Zeremonie ist gerade vorüber und eine etwas betagte Sängerin bietet Asia-Schlager und einen Tanz dar, der Zweifel an seiner folkloristischen Authentizität aufkommen lässt. Ich komme an einigen anderen religiösen und politischen Splittergruppen vorbei, bis ich auf einen Tross von Radikal-Vegetariern treffe, die hinter einem ca. zwei Meter hohen Riesenschwein herlaufen und die – was das Schreien von Parolen, Pfeifen und Lärmen angeht – die gestrige Arbeiterbewegung um Längen schlagen. Sie skandieren rhythmisch „Tierversuche gehören abgeschafft“ – wodurch das Ganze prägnanter klingt, da die ersten beiden Worte als Quartole bzw. Triole in den Rhythmus gezwängt werden. Unter der Vielzahl von Sprüchen gefällt mir besonders: „Für die Tiere sind wir hier – eure Gewalt verachten wir.“ Und „There’s no excuse for animal abuse“. Jedoch bin ich mit meinem Recorder zu langsam, um es aufzunehmen. Also Reihe ich mich kurzerhand in die Demonstranten ein und beginne selbst den Slogan zu rufen. Die Menge stimmt sofort ein und ich habe meine Aufnahme. Keine Dokumentation ohne Inszenierung. Die Leute wissen nicht, dass man eine Dokumentation schreiben muss. Sie denken sie entstünde einfach so beim Drehen, bzw. Aufnehmen. Dass gute Dokumentationen selten sind, liegt nicht daran, dass nicht genug spannende Geschichten geschehen, sondern dass es wenig gute Autoren gibt.
Avec un manifestant je commence un dialogue en français, pars qu'il ne parle pas allemand. Je me presente comme Monsignore Oldoon. Il est ici pour visiter son ami. Il pose le question, si je mange de viande. Mais je réponde que je ne suis pas vegan est non plus un végétarien. Malheureusement il va retourner a France le dimanche. Und ich verpasse die Gelegenheit eines Intermezzo-Français am Mittwoch. C’est la première foi pour lui de faire une manifestation de son opinion en public. Mais il l’aime. Bonne journée il dit, et bonne manifestation je réponse.
Es schließt sich ein sehr anregendes Gespräch mit einem Headhunter, der Lieber als Lektor arbeiten würde an. Er stammt aus einem verarmten Adelsgeschlecht und ist gebildet und vielseitig interessiert. Die Arbeit als Headhunter macht einsam, da es kaum Gelegenheit gibt, mit Kollegen über interessante Dinge zu reden, sagt er und bietet mir seine Freundschaft an. Ich zögere sie anzunehmen, nicht weil ich ihn nicht mag, sondern weil meine Zeit hier unweigerlich begrenzt ist. Aber er willigt ein, am Mittwoch vorbeizukommen und das Buch „Stilvoll verarmen“ vorzustellen. Gegen Abend setzte ich mich mit meinem Laptop auf die Bank beim Brunnen auf dem Römer. Vier Mädchen spielen Jazz und Swing Klassiker auf vier Saxophonen: „Le femme du sax“ steht auf ihren T-Shirts und die Abendsonne scheint mir ins Gesicht und zum erstem Mal fängt die Stadt an, ein klein Wenig zu grooven.
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